Hier, in der grünen Gartenstadt mit Meeresanschluss vor den Toren Palermos, wohnen Sizilianer, die die gediegene, entspannte Atmosphäre des Badeorts der hektischen Lebendigkeit Palermos vorziehen. Wir haben eine Verabredung mit Natalia Ravidà, die das große Familiengut „La Gurra“ in Menfi mit seinen Oliven- und Zitronenbäumen leitet.
Das extra vergine Olivenöl von Ravidà hat sie vor über 20 Jahren international bekannt gemacht. Seit sie es Anfang der 90er Jahre in London das erste Mal vorstellte, gewinnt es Olivenölwettbewerbe weltweit und wurde zum Vorreiter von sizilianischen Qualitätsölen.
In einer Seitenstraße steht die weiße Villa mit den grünen Fensterläden aus Holz mitten in einem Garten voll Palmen und Sitzecken mit geschwungenen romantischen Gartenmöbeln.
Wir haben das Brot mitgebracht, das Natalia sich gewünscht hat und immer bei einem bestimmten Bäcker kauft. Es ist das typische palermitanische Brot mit Sesam bestreut.
Sie war zuvor unterwegs und hatte ihre Straßenhändler besucht, bei denen es das frischeste Obst und Gemüse gibt. Das letzte Mal haben wir uns im trutzigen, dunklen Gutshof in Menfi getroffen, jetzt empfängt sie uns in ihrer heimeligen Küche und freut sich, uns ein paar Familienrezepte zu kochen. Jedes Rezept enthält als wichtige Zutat die Erinnerungen an eine Kindheit auf dem Land und der schlichten Küche dort.
Während die zierliche, aparte Frau mit den riesigen grünbraunen Augen die richtige Pfanne aus der Menge der vielen heraussucht, die an der Wand hängen, erzählt sie von ihren Reisen nach Japan, in die USA, nach Hongkong und natürlich immer wieder von England, wo sie jahrelang als Journalistin arbeitete. Natalia Ravidà vereint beides souverän, die Liebe zum traditionellen, originären Sizilien und die Weltläufigkeit einer vielgereisten Journalistin und erfolgreichen Geschäftsfrau. Die kleine Pfanne, der man ihr Alter und ihre Beliebtheit ansieht, steht auf dem großen Gasherd und in ihr wird schon das Olivenöl aus dem Ravidà-Kanister langsam warm.
Dann können wir beobachten, mit welcher Hingabe sie nach und nach immer wieder einen Esslöffel warmes Öl über das Eiweiß gießt. Mit etwas Salz und Brot schmeckt es köstlich und ist die perfekte Bühne für das gute Olivenöl.
Nach und nach kommen Linguine mit Zitrone, ein roher Artischockensalat und, zu unserer Überraschung, ein Fenchel-Orangensalat mit Hering auf den Tisch. Hering und die Fruchtigkeit und Süße der Orangen schmecken großartig zusammen. Ein Lob der grandiosen Schlichtheit und des Ravidà-Öls, das allen Rezepten eine warme Harmonie verleiht. Natalia ist sehr zufrieden mit den beiden Essern aus Deutschland.
Wir wünschen uns, das steinerne Familiengut in Menfi zu besuchen, das seit dem Tod ihres Vaters Nicolo leersteht. Es wird zu einer Reise ins alte Sizilien.
Die dunklen Räume mit den mächtigen Möbeln, den alten Bildern und Porzellan wurden seit Ende des 18. Jahrhunderts von der Familie bewohnt. Deren Wurzeln gehen ins 14. Jahrhundert zurück und zeugen von einflussreichen Positionen, die die Ravidàs seitdem innehatten. Wer den Roman 'Der Leopard' von Giuseppe Tomasi di Lampedusa gelesen hat oder den Film kennt, wird unsere Faszination verstehen, als wir von Raum zu Raum wandern.
Zurück im Sonnenlicht befördern uns die alten Olivenhaine und Zitronengärten wieder in die Gegenwart. Vor ein paar Stunden hatten wir noch das Olivenöl, die Oliven und die Zitronen von hier in Mondello gegessen. Die Rezepte haben wir mitgebracht und mit ihnen ein Stück altes und ganz sinnlich präsentes Stück Sizilien.