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Eine Familienangelegenheit

Olio Calvi, Ligurien

Ein frühlingshafter Wind weht durch die Gassen von Imperia, dieser kleinen, aber wichtigen Küstenstadt Italiens, der Heimatstadt des ligurischen Olivenöls und sein Hauptumschlagplatz.

„Unser Vater war ein sehr gewissenhafter Mann, mit einer echten Leidenschaft für Olivenöl. Er hatte großen Respekt vor den Kunden und damit meinen wir nicht Geschäfte oder ähnliches, sondern die tatsächlichen Genießer seines Öls in der Küche und am Tisch.“

Beim Mosto Oro handelt es sich um eine erlesene Cuvée spät geernteter Taggiasca Oliven, der autochthonen Sorte Liguriens. Frisches Gras, Zitrusaromen und florale Noten schmeicheln hierbei der Nase. Am Gaumen findet sich eine feine Süße, Zimt, Vanille und ein wenig grüner Apfel. Seit bald einem Vierteljahrhundert verfeinert dieses milde, harmonische Öl Gerichte vom heimischen Küchentisch bis zur Sterneküche. Es ist ebenjene Balance zwischen ligurischer Milde und feiner, nachhaltiger Frucht, für die Giovanni Calvi Senior berühmt geworden ist. 


Gianni Junior erklärt uns den internationalen Erfolg Olio Calvis damit, dass die meisten Menschen, die mit Olivenöl zu tun haben, stets nach einem Weg suchen, ein akzeptables Produkt zu möglichst geringen Kosten zu verkaufen. Der Vater jedoch sei anders gewesen, leidenschaftlicher. Er habe nicht einfach nur das anbieten wollen, wonach die Leute fragten, sondern etwas kreieren wollen, von dem die Menschen wahrscheinlich nicht einmal wussten, dass sie es brauchten: schlicht eben jenes besondere Olivenöl, das er selbst so liebte. Geholfen hat ihm bei dieser Mission mit Sicherheit auch der Fakt, dass er bis heute als einer der besten Verkoster seiner Zunft anerkannt ist. Der Weg dorthin war lang und auch nicht immer geradlinig. Ursprünglich hatte Gianni Senior vorgehabt, Mediziner zu werden. Doch als sein Vater Giuseppe krankheitsbedingt um Hilfe bat, änderte er (zu unserem Glück) seine berufliche Laufbahn. 

OLIO CALVIS GESCHICHTE BEGINNT VOR EINHUNDERT JAHREN, 1921.

1919, gerade aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, beschloss der junge Giuseppe Calvi, sich mit dem Handel von Olivenöl zu beschäftigen und nachdem er zunächst zwei Jahre für und mit anderen arbeitete, gründete er 1921 die "Fratelli Calvi“. Das Unternehmen spezialisierte sich auf die Flaschenabfüllung und den Export von Olivenölen in die benachbarten Regionen Piemont und Lombardei. Geschäftsmann und Romantiker im Herzen erkannte Giuseppe bald die starke Nachfrage nach heimischen Olivenölen italienischer Einwanderer in den USA und Südamerika. Aus den Flaschen wurden Dosen und das ikonische Design war geboren.

Steckbrief

region

ligurien

ort

Oneglia

Um zu begreifen, warum Imperia in Ligurien so ein wichtiger Knotenpunkt für die Olivenölherstellung und den Handel ist, muss man wissen, dass sich die Geschäftswelt, wie wir sie heute aus dieser Region kennen, erst vor etwa 40 bis 50 Jahren entwickelt hat. Zuvor war es so, dass die Ölmüller keinen direkten Vertrieb besaßen, der Aufwand stand nicht im Verhältnis zum Ertrag, schlichtweg durch die beschwerliche Vegetation und Infrastruktur Liguriens.

Stattdessen trafen sich Müller und Ölhändler einmal pro Woche auf der Piazza Dante in Oneglia im Café: Die Müller nahmen kleine Proben des Öls, um sie den Ölhändlern anzubieten. Diese Art der Organisation machte Oneglia für viele Jahre zur Hauptstadt des Olivenöls in Italien und in der Welt, was unglaublich ist, wenn man bedenkt, dass die Region bei Weitem nicht der größte Olivenproduzent in Italien ist. Mit dem Eintritt Giovanni Seniors in die Firma änderte sich die Auslegung des Unternehmens erneut. In diesem Fall muss man sagen, ging es immer der Nase nach.

Ein Öl riechen und schmecken und ein Urteil abgeben ist eine Sache, ein gutes Öl von einem Fehlerhaften zu unterscheiden schon eine andere. Noch kniffliger wird es, kleine Unterschiede im Duft und Geruch zweier verschiedener Öle zu erkennen oder sich die Besonderheit aus einem bestimmten Gebiet im Vergleich zu einem anderen zu merken und in der Lage zu sein, zu bestimmen, woher ein Öl kommt, einzig daran, was man schmeckt. Giovanni Senior hatte diese Fähigkeit, es war neben der Erfahrung eine natürliche Gabe. Und trotz dieser Gabe hatte er sich stets dagegen ausgesprochen, eigene Bäume zu kultivieren. Die Geschichte und die eigene Erfahrung zeichneten für ihn ein deutliches Bild. Erst mit der Übernahme von Gianni und Luca ändert sich die Auslegung von Olio Calvi auf einen ganzheitlichen Prozess.


Nun kreieren sie nicht mehr nur feinste Cuvées, sondern kaufen Olivenhaine, kultivieren Pflanzen und pressen Öl aus ihren eigenen Oliven. Außerdem betreiben sie an ihrer Mühle eine „Olivenschule“, in der sie ihr Wissen über einen nachhaltigen Umgang mit dem ligurischen Erbe weitergeben. Die allerersten Bäume der Familie pflanzte übrigens der Großvater damals im heimischen Garten. Bei aller Liebe zur Olive geben sie jedoch verschmitzt zu, dass das Beste an Oneglia, wo die beiden wohnen, wäre, dass es dort nur Pinien gibt.

Das Restaurant ist ähnlich alt wie Olio Calvi. 1905 gründeten Gianni und Lucas Urgroßeltern mütterlicherseits ein kleines Café auf der Piazza Dante in Oneglia, derselbe Ort also, an dem auch Großvater Calvi seine Geschäfte mit dem Olivenöl tätigte.

Baccala ’in Olio Cottura und Pizzaiolo Sauce

Seit über einem Jahrhundert kommen Touristen aus aller Welt an die Blumenriviera, die sogenannte Riviera dei Fiori. Ihr mildes Klima, ihre feinen Sandstrände und ihre mediterrane Vegetation machen die Blumenriviera noch heute zu einem der beliebtesten Reiseziele im Norden Italiens.

"Nichts ist schwierig, wenn man bescheiden ist"

Wenn Gianni und Luca uns von ihrem Vater erzählen, der 2009 verstorben ist, schwingt nicht nur viel Respekt mit, es wird auch deutlich, auf welche Art und Weise der Vater die Söhne ins Unternehmen integriert hat. Beide Kinder waren ursprünglich nicht sonderlich stark daran interessiert, ins Familiengeschäft einzusteigen. Zu spannend war die Welt jenseits der Alpen. Gianni als ältester Sohn von vieren folgte zuerst dem Ruf des Vaters. Mit der Hilfe von Luca, der Ingenieurwissenschaften studierte und zuvor bei einem großen Unternehmen tätig war, haben sie ein Geschäftsmodell aufgebaut, das neben unternehmerischer Integrität vor allem Leidenschaft und Hingabe ausstrahlt. Heute verstehen sie es so, dass sie dank ihrer Arbeit immer noch Menschen in der ganzen Welt treffen und gleichzeitig das Herz in der Heimat verbleiben darf.

Gianni und Luca Calvi, Blanca, die sizilianische Mischlingshündin und das gesamte Team arbeiten Hand in Hand (v.l.n.r.)

Mosto Oro im Glanz der Sonne. Hier wird der Namensursprung deutlich.

JENER GROSSE WANDEL, DEN DAS UNTERNEHMEN IN DEN LETZTEN JAHRZEHNTEN VOLLZOGEN HAT, HABEN SIE ALS TEAM UND ALS FAMILIE GEMEISTERT.

Der Wunsch nach eigenen Olivenbäumen entspringt übrigens auch dem Gedanken, dass Qualität stets vor Quantität kommt. Denn neben diesem deutlichen Bewusstsein für die hohe Qualität ihrer Produkte wird im Laufe unseres Besuches immer deutlicher: Diese Menschen, die uns die Türen in ihre Welt öffnen, sind wahnsinnig bescheiden. Beim gemeinsamen Abendessen bringt Luca unseren Eindruck auf den Punkt: „Es ist simpel. Für uns ist das Beste eben das, was wir unseren Kunden geben. Wir brauchen nichts Abgehobenes. Uns macht es glücklich zu sehen, dass unser Produkt Menschen schmeckt.” Und Gianni ergänzt, dass der Erfolg und vor allem diese Zufriedenheit hart erarbeitet sei. Der Senior wäre stolz auf sie.

Die alte Waage im Bildhintergrund war bis vor kurzem noch die offizielle Gewichtsanzeige.
 

Mehr als einmal sind die Brüder für uns in die Vergangenheit gereist während unseres Besuchs.


In der Villa Calvi mitten in Imperia braucht man nicht lange nach vergangen Zeiten suchen. Von alten Kundenkarteien bis hin zu Nummernschildern ist noch alles da.

Die ikonische Goldfolierung schützt das Öl vor Licht und lässt die Flasche stets schick aussehen.

Öl, das in der Sonne glänzt. Für vorbeifahrende Touristen wird gerne nochmal von der Hand geschöpft (weil es so schön aussieht). Ansonsten wird natürlich mit Einsatz modernster Technik unter Ausschluss von Sauerstoff abgefüllt.

Viel hat sich nicht verändert in den vergangenen einhundert Jahren Firmengeschichte. Die alte Öldose wurde übrigens in einer ehemaligen Mühle von Wanderern gefunden. Sie haben glücklicherweise den Schatz erkannt, den sie da hielten und Familie Calvi kontaktiert.

"Ich fühle mich wieder zu Hause!"

Erzählt man die Geschichte von Olio Calvi, so erzählt man auch die Geschichte des Restaurants Salvo Cacciatori. Das Restaurant von Angela, der Mutter, ist der Ort, der alle an einen Tisch bringt.

 

Das Restaurant ist ähnlich alt wie Olio Calvi. 1905 gründeten Gianni und Lucas Urgroßeltern mütterlicherseits ein kleines Café auf der Piazza Dante in Oneglia, derselbe Ort also, an dem auch Großvater Calvi seine Geschäfte mit dem Olivenöl tätigte. Aus diesem Café wurde über viele Jahre hinweg zunächst eine Trattoria. Auf Initiative von Agostino Salvo (Angelas Vater), der seine Lehrjahre in der Pariser Sterneküche verbrachte, formte sich aus dem schlichten Restaurant eine gehobene Küche, die bis heute nicht nur die Imperianer verköstigt, sondern auch die ein oder andere Berühmtheit, wie zum Beispiel Salvador Dali, mit seinem Handwerk verwöhnte und seit Jahren im Guide Michelin geführt wird. 

 

Wenn die Geschwister über das Restaurant sprechen, so sitzt stets die gute Seele dieses Ortes mit im Raum. Gianni erzählt uns, dass, als die Mutter zum ersten Mal nach dreißig Jahren Vollzeitmutter-Sein zurück ins Restaurant kam (es war zwischenzeitlich verpachtet), sie sich umsah und rief: "Ich fühle mich wieder zu Hause!“ Ohne Erfahrung aber mit viel Leidenschaft und der moralischen Unterstützung von Giovanni Senior schuf sich Angela über die vergangenen Jahre hinweg ihren persönlichen Heimathafen. Heute führt sie gemeinsam mit ihrem dritten Sohn Enrico das Restaurant. Der vierte im Bunde, Marco, arbeitet zwar tagsüber als Architekt, sein persönliches „Yoga“ findet er allerdings im Teig kneten, Brotlaibe formen und Grissini rollen in Salvos Küche.

Heute führt Mutter Angela gemeinsam mit ihrem dritten Sohn Enrico das Restaurant.

Während die Eindrücke und Geschichten um uns herum immer mehr an Gestalt annehmen, verspeisen wir modern interpretierte Klassiker der ligurischen Küche wie Baccala ’in Olio Cottura und Artischocken aus Albenga mit Knoblauchmousse, Kapernpulver und Taggiasca-Oliven-Sauce. Die passenden Weine kommen aus dem erlesenen Keller. Alle Speisen werden selbstverständlich mit Olio Calvi Ölen zubereitet. Auf dem Tisch steht außerdem ein kleines Fläschchen „Agostino“-Öl, benannt nach dem verstorbenen Großvater. Von salzig bis süß finden hier die verschiedenen Cuvées Anwendung und als das Dessert aus Thymian-Biskuit, Mandel-Bavaroise und Kamille mit herrlichstem Olivenöl abgerundet wird, schmelzen wir endgültig auf unseren Stühlen dahin.

UND WIEDER EINMAL MERKEN WIR, WAS FÜR UNS FAMILIE EIGENTLICH BEDEUTET. UNS ALLE EINT DER GUTE GESCHMACK UND DER SINN FÜR GENUSS.

Am Ende gesellen wir uns mit an den Familientisch im glasüberdachten Hauptraum des Restaurants, in dem sich, wie wir auf den zahlreichen historischen Fotografien erkennen können, wenig verändert hat und stoßen ein vorerst letztes Mal mit der gesamten Familie an. Es sind tatsächlich alle für uns gekommen.