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Tenuta Santa Caterina – Verborgenes Weinjuwel

Grazzano Badoglio, Piemont

Das Monferrato ist dazu bestimmt, eine der aufregendsten Weinregionen auf der Weinkarte zu werden. Zumindest für uns ist es das bereits. Und obwohl die Welt schon oft von der viel gelobten piemontesischen Rebsorte Barbera gehört hat, ist die gleichnamige Region ein unentdecktes Juwel abseits von Asti. 

Als wir 2022 durch die kleine Barbera-Region im Monferrato reisten, waren wir primär auf der Suche nach den verborgenen Schätzen dieser Gegend. Dass wir ein ganzes Weingut aus seinem Dornröschenschlaf erwecken würden, ahnten wir damals noch nicht.  

Das historische Weingut und Relais Tenuta Santa Caterina befindet sich in der Gemeinde Grazzano Badoglio, einem kleinen Dorf mit etwas mehr als 600 Einwohnern. Gelegen auf den sanften Hügeln in dem sogenannten "Colli Divini"-Gebiet, mitten im Herzen des Monferrato, gehen die Ursprünge dieses Ortes bis in das Jahr 961 zurück. Hier in dieser Gegend bewegt sich die Welt noch etwas langsamer – die Dinge bekommen ihre Zeit oder nehmen sie sich vielmehr. Blickt man am Morgen aus einem der Fenster der acht Gästezimmer des Relais, sind die umliegenden Weinberge nebelverhangen, und die Welt fühlt sich weit entfernt an.

 

Die Weinberge sind vor allem mit autochthonen, also einheimischen, Rebsorten bestockt, wie etwa Grignolino, Freisa und der allgegenwärtigen Barbera. Dank dieses Reichtums an alten, eigenen Traubensorten und der über tausendjährigen Weingeschichte wurde die Region im Sommer 2014 zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben.

RENAISSANCE UND TRADITION IM EINKLANG

Das frühere Bauernhaus, die anliegenden Ställe, der Palazzo und die historischen Infernots (in den Tuffstein geformte Kellergänge, die früher wie heute als Weinlager dienen) schüren unsere Erwartung von Romantik und Tradition. Zwischen den historischen Möbeln und dem Duft frischen Gebäcks kommt dieses besondere Gefühl italienischer Behaglichkeit auf. Als Azienda Agrícola verpflichtet sich das Relais im Übrigen dazu, ihre Lebensmittel so lokal wie möglich aus dem Füllhorn der Region zu beziehen.  

Steckbrief

Region

Piemont

Ort

Grazzano Badoglio

Ihre tatsächliche Renaissance erlebte die Tenuta Santa Caterina im Jahr 2000, als der Mailänder Anwalt Guido Carlo Alleva das Anwesen aus dem 18. Jahrhundert erwirbt und eine detailreiche Restaurierung der Gebäude und der umliegenden Weinberge beginnt. Es wäre leicht, anzunehmen, dass hier ein wohlhabender Städter gekommen sei, um zu investieren, doch das Gegenteil ist der Fall. Für Guido sind diese Hügel ein Stück Zuhause, seine Rückkehr zu den Wurzeln. So oft wie möglich ist er in Grazzano Badoglio bei seinen Reben. Nicht nur ist er ein wahrer Weinfreak mit einer hervorragenden Nase und einer sympathischen Ausstrahlung, auch hat er es geschafft, das Weingut Santa Caterina in Einklang mit den Werten der Piemonteser Umgebung zu bringen. Während vielerorts über Landwirtschaft 4.0 gesprochen wird, der digitalen Organisation landwirtschaftlicher Maßnahmen, Prozessoptimierung betrieben und Sparmaßnahmen ergriffen werden, zählen hier Mensch und Natur zuerst.  

EIN GARTEN VOLLER VIELFALT  

Direkt hinter dem Anwesen, zwischen Weinberg und Relais, liegt ein biodiverser, “dauerblühender” Garten, in dem unter anderem auch eigenes Gemüse gezogen wird. Vögel, Bienen, Schmetterlinge und andere Nützlinge versammeln sich hier und tragen zur Pflanzenvielfalt und somit zu einer besseren Bodenstruktur bei. Ein Weiher sorgt zudem für genügend Grundwasser. Zwischen den Rebstöcken finden sich Hülsenfrüchte und Getreide, die ihre ganz eigene Funktion haben: Denn diese Form der Gründüngung steht im Weinbau für einen sanften Umgang mit Pflanze, Boden und Hang. Die Wurzeln der Nutzpflanzen gehen tief durch die verschiedenen Gesteinsschichten und binden Stickstoff sowie Phosphor. Statt geerntet zu werden, kehren die Gräser und Tiefwurzler durch Mulchen oder Pflügen zurück in die Erde. Das dadurch entstehende Humus verbessert die Bodenstruktur, das Unkrautwachstum wird unterdrückt und weiterer Lebensraum für Bodenlebewesen geschaffen. Zusätzlich wird durch dieses Verfahren der Grund beschattet und vor Erosion geschützt. Die Rebe profitiert maßgeblich von der größeren Biodiversität und dem natürlichen Gleichgewicht im Weinberg, denn je artenreicher der Boden und die Umgebung der Rebe, desto weniger können Rebenschädlinge zum Problem werden und desto gesünder ist das Lesegut bei der Ernte. 

PIEMONT IN JEDEM GLAS 

 

Alle Weine der Tenuta Santa Caterina werden ausschließlich aus den Trauben der eigenen Rebstöcke gewonnen und tragen so den einzigartigen Charakter ihres Terroirs in sich. Jeder Wein ist ein Cru, jeder Rebstock wird über Monate hinweg mit großer Sorgfalt und Geduld gepflegt. Die Vergärung erfolgt ausschließlich mit den natürlichen Hefen. Der Wein reift im Anschluss so lange im Keller, bis er seinen optimalen Genusszeitpunkt erreicht. Durch diesen Respekt und die große Sorgfalt gegenüber der Natur spiegelt jedes Glas die piemontesische Landschaft und die Leidenschaft der Winzer wider.

 

Guido strebt nicht nur nach diesen selbstgesteckten Werten, mithilfe der Önologin Dr. Luciana Biondo garantiert er sie. Seit etwa sieben Jahren nun arbeiten die beiden eng zusammen, um das Handwerk in die Zukunft zu führen. 

„Ich habe mein ganzes Leben lang Wein gemacht. Wir hatten früher viele Weinberge, aber die Bauern waren immer da, um sie für uns zu pflegen. Doch ich war derjenige, der den Weinberg liebte. Ich habe ihn immer geliebt, seit ich ein Kind war. Ich wurde Anwalt, aber ich habe nie aufgehört bei der Lese zu helfen oder die Arbeit auf dem Land zu verfolgen.”

- Guido Carlo Alleva

DER HERSTELLUNGSPROZESS 
 

Mit Lucianas Stimme im Ohr, zwischen den riesigen Fässern stehend, gewöhnen sich unsere Augen langsam an die Dunkelheit des Infernots. Während die Önologin uns ruhig und bedacht durch den historischen Weinkeller und die Feinheiten der einzelnen Jahrgänge führt, können wir die ein oder andere Probe direkt vom Fass verkosten und erfahren mehr über die Herstellungsprozesse. Nach den langen Monaten der Weinbergspflege, der sorgfältigen Lese per Hand und Weinbereitung im Keller geht es nun um die Kontrolle der Fässer. Gelagert werden die Weine in Barriques (ca. 225 l) aus französischer Eiche sowie slawonischen Eichen-Tonneaux (ca. 900 l). Alle zwei Wochen überprüft sie, ob aufgefüllt werden muss, um eventuelle Verdunstungsverluste auszugleichen. Es folgt eine Geruchs- und Geschmacksprobe, um sicherzustellen, dass sich in keinem Fass unerwünschte Fehltöne im Wein entwickelt haben. Ihre finale Einschätzung der Qualität erfolgt in Form eines schriftlichen Berichts. 


Neben den öffentlichen Kellerräumen führt hinter einem schweren Eisengitter samt Vorhängeschloss eine schmale Treppe weitere 17 Metern unter die Erde, mitten hinein in Guidos privaten Weinkeller. Ebenfalls keine Kapitalanlage, wie die Önologin betont, sondern eine beeindruckende Sammlung, die ausdrücklich für genussvolles Trinken bestimmt ist. 

GESCHMACKSPROFILE: SORÌDIGIUL, ARLANDINO UND SILENTE 

Zurück in der Tenuta, in den ehemaligen Stallungen, bietet uns Luciana zwei Rot- und einen Weißwein zur Degustation an: SorìdiGiul, Arlandino und Silente. Drei Weine, die unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch dieselbe Handschrift aufweisen. 

SorìdiGiul Freisa d’Asti DOC Superiore ist eine Hommage an Guidos Tochter Giulia und gleichzeitig eine Referenz auf die Lage des Weinbergs, denn Sorì bedeutet Sonnenhügel und beschreibt einen Standort voller Licht. Der sortenreine Wein aus der Rebsorte Freisa begrüßt uns im Glas mit klarer, rubinroter Farbe und duftet verführerisch nach Waldhimbeeren. 

 

 

Für die Rebsorte typisch liefert SorìdiGiul viel Frische mit einer gleichzeitig angenehmen Tanninstruktur – hier zeigt sich auch die Familienähnlichkeit zur Nebbiolo-Traube, die eng mit Freisa verwandt ist. Der Wein reift geduldig für 8 Monate in neuen, französischen Tonneaux, gefolgt von 12 Monaten in 30 hl großen Eichenfässern. Die Trauben entstammen einem der ältesten Weinberge des Guts und geben einen, wie Luciana betont interessanten Charakter und viel Eigenständigkeit.

 

Arlandino Grignolino d’Asti DOC hat seinen Namen von der alten Bezeichnung für die autochthone Rebsorte Grignolino: Arlandino. Im Glas präsentiert sich der Wein hellrot mit orangenen Reflexen und duftet nach herber Kirsche mit würzigen Alpenkräuternoten.  Für neun Monate in INOX-Stahltanks gereift, hat dieser Rotwein einen besonderen "crunch" mit viel Frische und Struktur, wie wir lernen und erschmecken. 

Die Grignolino-Trauben zeichnen sich durch viele, große Kerne im inneren des Fruchtfleischs aus, die dem Wein das etwas körnige und jugendliche Tannin verleihen, für das er bekannt ist und von den Piemontesern und einer wachsenden Fangemeinde geliebt wird. 

Der Silente Delle Marne Monferrato Bianco DOC ist das Aushängeschild unter den Weißweinen der Tenuta Santa Caterina. Der reinsortige Chardonnay stammt von einem einzigen Weinberg, der aus urgeschichtlichem Meeresboden aus kalk- und tonreichem Mergel besteht. In einem satten goldgelb fließt der Wein ins Glas, in der Nase bietet er intensive Aromen von reifen Zitrusfrüchten mit einer feinen Röstnote aus dem Barrique. Vollmundig, cremig und trotzdem elegant auf der Zunge, ein terroirtypischer Chardonnay, der zeigt, was er kann. 

Obwohl die Chardonnay Traube eigentlich in Frankreich beheimatet ist, ist sie keine Modeerscheinung im Monferrato, sondern wird bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts angebaut.

EIN GUTER RIECHER  

Ab 2025 wird das Weingut offiziell das Bio-Label tragen, da die drei Jahre dauernde Umstellungszeit von traditionellem zu organischem Anbau dann abgeschlossen ist. Mit diesem Siegel schließt sich der Kreis im wortwörtlichen Sinne. Was begonnen hat als eine Hommage an die Region, ist zu einer holistischen Inspiration herangewachsen, einem Ort, der zurückgibt. Heute behält sich Viani den exklusiven Vertrieb der Weine der Tenuta Santa Caterina für Deutschland vor – ein guter Riecher unsererseits, wie sich herausstellt.